Remember the past – create future
24. Mai 2016
Wenn Sophie, Hans und all die anderen das wüssten: Begegnung mit Ruth & Michael Smuss in Tel Aviv
Unser letzter Tag ist angebrochen. Am Vorabend sind wir aus Jerusalem mit dem Zug wieder durch die wunderbare unberührte Berglandschaft ganz gemächlich zurück nach Tel Aviv gerattert. Wir passierten die Stelle, an der wir auf unserer Wanderung auf die Bahnstrecke gestoßen sind. Die Erinnerungen an die letzten acht Tage zogen vor meinem inneren Auge vorbei und vermischten sich mit dem einschläfernden „tack-tack, tack-tack“ der Bahnschwellen. Wir erreichten die „Käseglocke“ Tel Aviv, unser „Partyhostel“ mit feierlustigen jungen Menschen – der Nahostkonflikt ist gefühlte 1.000 Kilometer weit weg – kaum zu glauben, dass es tatsächlich nur knappe 70 sind, die die beiden Welten voneinander trennen…
Das Partypublikum scheint nichts zu ahnen – ob es gefährlich ist in der Westbank, fragen uns die ein oder anderen zuweilen fast ehrfürchtig, als hätten wir uns in die „Höhle des Löwen“ gewagt.
Monate zuvor war eine E-Mail aus Tel Aviv auf meinem Bürocomputer eingegangen: Ein Mann schrieb, er sei einer der letzten Überlebenden des Warschauer Ghettos und suche den Kontakt zu mir, wolle mich gerne treffen. Was ich anfangs für Spam hielt, entpuppte sich als einer der glücklichsten und bereicherndsten „Zufälle“ der vergangenen Jahre und bescherte uns zunächst ein Treffen in München und nun die Begegnung mit Michael Smuss und seiner liebenswerten Frau ‚Ruthy‘, beide über 90, die wir am Vormittag vor unserem Abflug in einem Straßencafe in Tel Aviv trafen – bis zuletzt hatten wir aufgrund der Gesundheit von Ruth gebangt, ob es tatsächlich dazu kommen wird. Ein geplanter gemeinsamer Besuch einer Gedenkstätte im Norden Israels musste leider ausfallen, aber trotzdem bestanden die beiden glücklicher Weise auf das Treffen in ihrer Wahlheimat.
Eindrücklich schilderte Michael, der schon oft in Schulen und zuletzt bei der Bonhoeffer-Gedenkveranstaltung der EJB in Flossenbürg vor deutschen Jugendlichen gesprochen hat, die Tage des Aufstands im Warschauer Ghetto, die er als 17-Jähriger erlebt hat und seine darauf folgenden Stationen, unter anderem im Konzentrationslager Flossenbürg, wo er gegen Kriegsende Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungs- und Flugzeugindustrie leisten musste und schließlich auf einem der ‚Todesmärsche‘ seine Befreiung durch die US-amerikanischen Truppen erlebte.
Besonders anrührend war für mich der Auslöser, den er als einen wesentlichen Grund und wichtige Motivation für den Aufstand nannte: Über Verbindungen nach England habe man vom Widerstand der „Weißen Rose“ in München und der Hinrichtung der Geschwister Scholl gehört. Wenn nun sogar die Deutschen selbst sich gegen die Nazis erheben, so sei dies der richtige Zeitpunkt, den Aufstand zu wagen. Dass die Alternative Deportation und Tod in den Vernichtungslagern ist, war ihnen klar und so wollte man wenigstens den Versuch gemacht haben, sich nicht widerstandslos den Schlächtern zu ergeben.
Unser letzter Tag ist angebrochen. Am Vorabend sind wir aus Jerusalem mit dem Zug wieder durch die wunderbare unberührte Berglandschaft ganz gemächlich zurück nach Tel Aviv gerattert. Wir passierten die Stelle, an der wir auf unserer Wanderung auf die Bahnstrecke gestoßen sind. Die Erinnerungen an die letzten acht Tage zogen vor meinem inneren Auge vorbei und vermischten sich mit dem einschläfernden „tack-tack, tack-tack“ der Bahnschwellen. Wir erreichten die „Käseglocke“ Tel Aviv, unser „Partyhostel“ mit feierlustigen jungen Menschen – der Nahostkonflikt ist gefühlte 1.000 Kilometer weit weg – kaum zu glauben, dass es tatsächlich nur knappe 70 sind, die die beiden Welten voneinander trennen…
Das Partypublikum scheint nichts zu ahnen – ob es gefährlich ist in der Westbank, fragen uns die ein oder anderen zuweilen fast ehrfürchtig, als hätten wir uns in die „Höhle des Löwen“ gewagt.
Eindrücklich schilderte Michael, der schon oft in Schulen und zuletzt bei der Bonhoeffer-Gedenkveranstaltung der EJB in Flossenbürg vor deutschen Jugendlichen gesprochen hat, die Tage des Aufstands im Warschauer Ghetto, die er als 17-Jähriger erlebt hat und seine darauf folgenden Stationen, unter anderem im Konzentrationslager Flossenbürg, wo er gegen Kriegsende Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungs- und Flugzeugindustrie leisten musste und schließlich auf einem der ‚Todesmärsche‘ seine Befreiung durch die US-amerikanischen Truppen erlebte.
Besonders anrührend war für mich der Auslöser, den er als einen wesentlichen Grund und wichtige Motivation für den Aufstand nannte: Über Verbindungen nach England habe man vom Widerstand der „Weißen Rose“ in München und der Hinrichtung der Geschwister Scholl gehört. Wenn nun sogar die Deutschen selbst sich gegen die Nazis erheben, so sei dies der richtige Zeitpunkt, den Aufstand zu wagen. Dass die Alternative Deportation und Tod in den Vernichtungslagern ist, war ihnen klar und so wollte man wenigstens den Versuch gemacht haben, sich nicht widerstandslos den Schlächtern zu ergeben.
Wenn die Geschwister Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst, Willi Graf sowie der Universitätsprofessor Kurt Huber oder die weiteren Mitarbeiter und Unterstützer, wie Traute Lafrenz, Hans Conrad Leipelt und Marie-Luise Jahn (die ihren Lebensabend in Bad Tölz verbrachte und vor ihrem Tod ebenfalls bei einer Veranstaltung der Evang. Jugend Wolfratshausen von ihren Aktivitäten berichtete) geahnt hätten, dass ihr Einsatz bis ins ferne Warschau Menschen zu Widerstandsaktivitäten motivierte – dieser Gedanke berührt mich bis heute.
Bereits auf dem Weg im Güterzug in das Vernichtungslager Treblinka wurde Michaels Transport von deutschen Luftwaffenoffizieren gestoppt, die auf der Suche nach Zwangsarbeitern waren, so nahm das Schicksal eine Wendung, die ihm und anderen das Leben rettete. Es gäbe noch viel zu erzählen von den wenigen Stunden lebendiger Geschichte in einem Gespräch in einem zunehmend quirligeren Straßencafe, in dem an den Nachbartischen Familien und Studierende frühstückten und Arbeiter ihre Kaffeepause genossen – nichts ahnend von dem „Zeitzeugengespräch“ in ihrer Nachbarschaft, dass uns alle in seinen Bann zog.
Energisch forderte er uns auf, nicht nur die Kontakte nach Palästina zu pflegen, sondern im Rahmen unserer Partnerschaft auch auf eine Verständigung zwischen jungen Israelis und Palästinensern zu setzen und bot uns im Rahmen seiner Möglichkeiten Unterstützung und die nötigen Kontakte für dieses Anliegen an.
Das Gespräch knüpfte an den Besuch der Gedenkstätte ‚Yad Vashem‘ an, ließ die Geschichte lebendig werden und hing noch lange in unseren Köpfen nach, als wir uns längst am Ben-Gurion-Airport durch die Sicherheitskontrollen und Befragungen arbeiteten, bis wir schließlich erschöpft und bereichert von einer erfolg- und erlebnisreichen Reise wieder sicher in München landeten: Erinnern, begegnen, Zukunft gestalten – und dabei die israelische und die palästinensische Perspektive nicht aus den Augen verlieren – ein gutes Motto und Auftakt für die nächste ‚Begegnungsrunde‘ 2017 in Neukirchen bei Coburg im Rahmen des Reformationsjubiläums und 2018 in Palästina und Israel. So Gott will selbstverständlich mit einer Begegnung mit Michael und Ruthy Smuss, denen wir an dieser Stelle noch einmal danken für ihre Herzlichkeit, ihre Hartnäckigkeit und ihre Gastfreundschaft!
Volker Napiletzki
Volker Napiletzki
